Die Welt verändert sich: Was bedeutet das für dich als Autorin?

Es ist 10:00 Uhr und ich habe immer noch nicht lektoriert – die Schreibnacht gestern war einfach zu intensiv! Unerwarteterweise hat mich diesmal nicht der Wecker aus dem Schlaf gerissen, sondern ein Radio. Von den Bauarbeitern draußen. Den Bohrer höre ich schon seit Monaten nicht mehr, aber die übermotivierten Stimmen der Radioleute drangen noch zu mir in den Halbschlaf: »Trump wird mit 55 Prozent Präsident!«

Ich war sofort wach. Erst einmal wie paralysiert. Griff dann nach meinem Handy, um die letzten politischen Ereignisse im Schnellverfahren zu googeln.

Meine genauen Gefühle hierzu erspare ich euch. Denn das hier ist vor allem ein Schreibblog, und nicht einer der Politik. Ich möchte die Extreme, in welche die Welt gerade verfällt, nicht mit einer weiteren emotionalen Meinung nähren, und auf selbige reduziert werden. Ich will Differenz.

Aber die Welt will diese anscheinend nicht. Seppo vom Seppolog schreibt es in seinem heutigen Beitrag mit voller Härte: »Willkommen in der Ära des Populismus. Er ist salonfähig geworden.«

amerikanische-flagge

Und mir gehen tausen Fragen durch den Kopf: Was bedeutet das für dich als Autorin? Wo du gegen Hass, für offene Horizonte und Empowerment schreibst? LGBTQ-Romance lektorierst? Immer mehr Ethnien und Geschlechterdarstellungen als Gleichwertige in deine Geschichten aufnimmst?

Vorher habe ich nie darüber nachgedacht. Man macht überhaupt mehr beim Schreiben, als dass man denkt. Ich habe jedenfalls noch nie eine Story mit dem Gedanken angefangen: »Ui, jetzt eine eine Geschichte über Empowerment!« Ich machte einfach. Und je mehr ich erfuhr, wie bunt die Welt eigentlich ist, desto mehr baute ich es in meine eigenen Geschichten ein. Nicht als politisches Statement. Um interessantere Charaktere und Konflikte zu haben. Nichts ist langweiliger als immer die gleichen Muster.

Dachte ich.

Nun muss ich mich fragen, ob ich damit in einer Welt, durch die immer und immer wieder ein rechtsradikaler Ruck geht – ob nun durch Trump, FPÖ, AFD und wie sie alle heißen – unfreiwillig zur politischen Schreiberin werde.

Und vor allem bin ich fassungslos, so unglaublich fassungslos. Ich dachte, wenn sich die Extreme hochschaukeln und die Populisten ihr wahres Gesicht zeigen, würde die Vernunft schon siegen. Damit gemeint: Die Vernunft, nicht auf jemanden zu setzen, der bis auf Hassreden gegenüber Minderheiten und hohlen Phrasen wie »Ich bin ein Mann des Volkes!« und »Mit mir wird alles besser!« nichts zu bieten hat. Weil, wir sind ja nicht blöd oder, oder? Und auch keine Rassisten oder Sexisten? Gemeinsam sind wir stark und haben bisher so viel geschafft und so?

Dabei habe ich nicht begriffen, dass es das ist, was so viele Menschen (= 55 Prozent Amerikas) wollen: Schwarz-Weiß. Dampf ablassen. Politisch unkorrekt und unsozial sein. Weil es einfacher ist.

Ich schiebe es nicht auf die Bildung wie viele andere. Damit macht man es sich meines Erachtens zu leicht. Auf dem Seppolog schrieb ich: »Was hier fehlt, ist vielleicht nicht Bildung, sondern Aufklärung. Wenn man nicht gerade die Uni besucht und sich dort mit Menschen, Subkulturen, Geschichte des Rassismus‘, et cetera beschäftigt hat, kriegt man seine Infos eben nur aus Fernsehen, Facebook und Co. Und wie Seppo schreibt: Unsere Medien klären nicht auf. Sie radikalisieren, stellen nur Extreme vor. Ob nun vom muslimischem Terroristen oder dem linken Gutmenschen oder dem rechten Nazi, völlig egal. Vor allem die neuen Medien. Wie will man auch einen differenzierten Tweet schreiben, wenn man nur 120 Zeichen zur Verfügung hat?«

Mit diesen Worten möchte ich erst einmal Abstand nehmen. Eigentlich wollte ich heute mein 250-Likes-auf-Facebook-Gewinnspiel starten, aber mir ist nicht mehr danach. Wenn sich die Wogen im Social Media bis Freitag geglättet haben, wird es wahrscheinlich dann stattfinden.

Ich kann die Frage »Was bedeutet das für mich als Autorin?« bisher nur vage beantworten: Vorerst nicht viel. Ich werde weiterhin schreiben, was ich schreibe, ohne politisches Label und erhobenen Zeigefinger. Das brauchen wir nicht. Himmel, diese Labels vergiften uns! Sieht denn niemand außer mir, dass es immer mehr Links gegen Rechts, Liberale gegen Konservative wird, ohne irgendwelche Schattierungen?

Ich habe genug davon. Ob ihr nun schwarz oder weiß seid, Mann oder Frau, links oder rechts, religiös oder atheitistisch, liberal oder konservativ, ist mir in erster Linie egal. In zweiter Linie ist es mir nicht egal, wenn ihr pauschalisierend irgendwelche Volksgruppen denunziert, mit Hate Speech verseht oder blutrünstige Drohungen gegen sie aussprecht. Doch das ist ein anderes Thema und eines, dass man hauptsächlich zwischen den Zeilen in meinen Stories finden wird.

Überall gibt es Maße wie Extreme. Ich werde meine Geschichte und die Beiträge hier, so gut es nur irgendwie geht und ich mich zurückhalten kann, ohne Letzteres schreiben. In der Hoffnung, dass meine Leser dann nachdenken, und ich mit ihnen.

Ach, und eigentlich stimmt die Überschrift nicht – die Welt verändert sich nicht. Sie war schon längere Zeit dabei, sich zu verändern, und ich habe es nur nicht sehen wollen. Wir müssen alle schauen, wie wir damit umgehen, als Autoren, Leser wie Menschen.

Ich schreibe weiter. Jetzt erst recht. Denn ich bin tatsächlich der Überzeugung:

»Love trumps hate.«

12 Antworten auf „Die Welt verändert sich: Was bedeutet das für dich als Autorin?

  1. Wahre Worte.
    Ich gebe zu, ich habe die Radikalisierung ungefähr seit 2008 schon beobachtet und sie war es, die mich dazu gebracht hat, politisch zu schreiben.
    (Wobei ich durchaus seit Beginn meiner bewussten Schreibkarriere – geschrieben habe ich auch davor schon, nur ohne Sinn und Verstand – mich als politische Autorin gesehen habe. Man wird nur sehr schief angesehen, wenn man das mit 17 von sich behauptet.)
    Jetzt erst Recht, würde ich sagen.
    Wann ist Zeit, um differenzierte, bestärkende und bunte Geschichten zu schreiben, wenn nicht dann, wenn die Welt in Schwarz und Weiß unterzugehen droht?

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    1. Ich schreibe auch bewusst, aber es ist doch eine andere Sache, bewusst politisch zu schreiben. Ja, ich habe meine eindeutigen Aussagen, aber die sollen die Leser für sich selbst finden. Persönlich glaube ich, dass viele Leute bei gewissen Begriffen, an denen ein -ismus hängt, einfach komplett dichtmachen. Und das verhindert – leider – jeden Dialog. Ich glaube, mehr denn je möchte ich einen labellosen Raum aufmachen, wo man nicht ums Reflektieren drum herum kommt und vieleicht einsieht, dass keine Seite wirlich gut oder böse ist.
      Deinem letzten Statement stimme ich aus vollem Herzen zu! :-)

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      1. Ich glaube, ob man politisch schreibt und die Fahne davorhält oder nicht, ist dann noch mal eine Grundsatzentscheidung für jeden Autor.
        Für mich bedeutet es Freiheit, jetzt in einem Alter zu sein (haha… 26…), in dem es mir auch abgenommen wird, dass ich mit einer politischen Agenda im Kopf schreibe. Wie gesagt, als ich das als Teenie so gesagt habe, bekam ich erstmal eine Menge Gelächter ab… ^^
        Und ich glaube fest daran, dass es kein unpolitisches Schreiben per se gibt.
        Weil Literatur in der Regel – sogar ein Liebesroman, von dem man es nicht denken würde – zwei Dinge tun kann:
        – die gängigen Verhältnisse unkommentiert reproduzieren (und ihnen damit im Rahmen dessen, was im Roman passiert, zustimmen – z.B. Geschlechterrollen zementieren)
        – oder die gängigen Verhältnisse hinterfragen (was allein dadurch geschieht, dass sie sich von denen in der gegenwärtigen Realität auf die eine oder andere Weise unterscheiden)
        Ein Buch tut immer das eine oder das andere. Egal ob es sich um einen historischen Roman, um Fantasy oder um einen Liebesroman über eine Apfelkuchenbäckerin und einen friesischen Fischer handelt :).
        Was natürlich bedeutet, das eigene Schreiben permanent darauf zu hinterfragen, ob es auch wirklich das sagt, wofür ich eigentlich stehen möchte. Das ist manchmal sehr anstrengend…
        Also: Ich kritisiere dich nicht dafür, dass du dich nicht als politische Autorin siehst <3 . Ich habe nur eine (etwas sehr eigene) Position dazu, die sich aus meinem Leben so ergeben hat.
        Und momentan bin ich traurig, weil ich mich bis vor zwei Jahren noch gefreut habe, dass das in meinem Erstling (den ich mit 17 als Reaktion auf den Rechtsruck im Ostblock schrieb) gezeichnete Bild der Welt so nicht eintreten kann. Und naja, jetzt, wo Trump Präsident wird… ist es nicht weit bis zu dem Diktator aus meinem Buch. Und das gefällt mir sowas von gar nicht, ich will, dass mein Buch endlich erscheint und damit ein paar Radikalen eins auf den Deckel geben (das arme Buch…). Wobei ich mir bewusst bin, dass das keine Probleme löst, im Gegenteil, aber mir ginge es dann erstmal besser :D.
        Und das führt dazu, dass ich gerade die Rolle der Schriftsteller immer mehr durchdenke. Wir haben Verantwortung und je fragiler die Welt wird, desto größer wird die, fürchte ich.

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      2. Ich glaube, ein paar meiner geschriebenen Sachen muss ich zur Verdeutlichung umschreiben, denn ich hab das Gefühl, wir sind es aus dem „selben“ Schreiberlager – nur mit unterschiedlichen Herangehensweisen :-)

        Keine Angst, ich habe deinen Kommentar auf keinen Fall als Kritik empfunden! Und wenn ich kritisch gewesen wäre, hätte ich das auch verstehen können.

        Hm, so wie du das sagst, erscheint mir das sehr einleuchtend mit „Es gibt kein unpolitisches Schreiben per se“. Ich muss dazu noch mal erklären, dass ich auch nicht von mir erwarte, komplett unpolitisch zu schreiben. Ich habe meine Ansichten und Überzeugungen, eine fleißig aufgebaute Agenda, so wie du auch. Ich möchte nur eben die Flagge nicht benutzen, oder aber nur sparsam. Nicht, weil ich nicht selbst an die Flagge glaube. Sondern weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass Leute auf sie grundsätzlich wie ein Stier auf ein rotes Tuch reagieren können, ohne sich irgendwelche Argumente anzuhören.

        Nehmen wir mal ein Beispiel mit meiner feministischen Seite, die sich mit Gendertheorie beschäftigt. Wer sie noch nicht bemerkt hat: Ja, Schock, ich besitze sie! Erkläre ich das im echten Leben, ist das oft mit Unverständnis verbunden. Denn viele Menschen sind leider vorbei, wie schon in Zeiten der Suffragete Feministen grundsätzlich zu denunzieren, in der Annahme, es gehe diesen darum, Männer zu unterwerfen. Und nicht um die Gleichheit der Geschlechter und eine Hinterfragung von deren Vorurteilen, die beiden Seiten zu gute kommt, wie es wirklich ist.

        Meine Novelle „Wolfssucht“ ist diesbezüglich eine feministische Geschichte. Ich habe sie nie als solche propagiert, das Thema nur in einem einzigen Interview angekratzt. Persönlich glaube ich, ohne die Flagge mehr erreichen, die Leute uneingenommener auf eine Geschichte zugehen lassen zu können. Denn wir mögen es ja alle nicht, mit dem Zeigefinger belehrt zu werden. Ich habe Hoffnung, wo nicht schwarz-weiße Geschichten überzeugen, ändern sie was in der Welt – aber auf die muss der Leser sich auch einlassen. Und ja, ich glaube auch fest daran, dass wir Autoren was bewirken und da Verantwortung tragen können!

        Ich denke aber, dass das bei dir ganz ähnlich ist – zumindest habe ich auch das Gefühl, dass bei dir eher die Texte denn der Mensch sprechen. Wahrscheinlich mache ich mir also nur zu viele Gedanken um nichts ^_^

        Also, ja: Wahrscheinlich bin ich doch politischer Schreiber. Ich möchte nur, dass man mir keine Fahne anhängt, anhand derer Argumenten keine Chance mehr gegeben wird. Und überhaupt wünsche ich das der ganzen Welt, dass man aufhört, überall Fahnen dranzuhängen und gegen bestimmte Fahnen grundsätzlich und ohne Nachdenken mentalen Krieg zu führen.

        Was dein Buch, wünsche ich dir, dass es bald in die Welt kommt! Es klingt nach einer Geschichte, die gerade gebraucht wird <3

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  2. Im Gegensatz zu Evanesca habe ich mich nie als politische Schriftstellerin verstanden. Ich erzähle Geschichten nicht wegen einer Botschaft, sondern weil ihr Plot oder die Figuren mich faszinieren und ich sie deshalb für erzählenswert halte. Trotzdem habe ich natürlich eine Haltung, die sich in der Wahl der Themen, der Vielfalt der Charaktere und nicht zuletzt in ihrer Wahrnehmung der Welt widerspiegelt. Es wird seine Gründe haben, dass Steppenbrand in zwei von drei Kommentaren auch als Parabel auf aktuelle politische Ereignisse beschrieben wird (obwohl ich die Geschichte vor zehn Jahren geschrieben habe). Auch im Fluch des Spielmanns finden sich Parallelen, z. B. wenn Corvin sagt, er habe schon gewusst, dass man ihnen die Schuld geben würde. Sie seien schließlich die Fremden.
    Auch dieser Satz war ursprünglich in einem anderen Kontext gedacht.
    Aber um es mit Heinrich Böll zu sagen: „Ähnlichkeiten mit existierenden Personen oder Ereignissen sind weder beabsichtigt noch zufällig, sondern unvermeidlich.“ (Gedächtniszitat aus „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“)

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    1. Mir geht es da ähnlich wie dir, Nike. Ich packe zwar auch immer Aussagen in meine Geschichten, aber in erster Linie sehe ich mich als Erzählerin. Ich denke, wenn man Herzblut in sein Schreiben steckt, kommt man gar nicht drum herum, dass sich die Zeit, in der man lebt, in den eigenen Texten spiegelt. Viele meiner Texte kann man auch als Allegorien verstehen, selbst wenn sie nicht als solche geschrieben sind. Am Ende kann man es eh nicht verhindern ;-)

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  3. Ich werde – mit wenigen Ausnahmen – sicherlich nicht zum bewusst politischen Autor werden… ich verfolge schon im „normalen“ Leben viel zu sehr die Politik, um sie auch noch regelmäßig Einklang in meine Texte finden zu lassen. Von dem Schock am Dienstag/Mittwoch werde ich mich lange nicht erholen. Hillary war und ist und wird für mich immer ein absolutes Vorbild sein Ich habe sie mehr als 10 Jahre aus der Fern begleitet – habe noch zu Schulzeiten 07/08 jede Debatte, jede Vorwahl nächtelang verfolgt, um dann ohne Schlaf übermüdet zur Schule zu gehen – aber das war es mir wert. Und auch dieses Jahr saß ich wieder nächtelang vor dem Fernseher, nur um dann erneut fassungslos den Tränen nah zur Arbeit zu gehen. Klar ist fast kein Text gänzlich unpolitisch – aber forcieren werde ich nichts. Bücher und Geschichen sind für mich auch eine Flucht aus dem Alltag – wenn man sie mit zuviel Bezügen und politischen Statements durchsetzt, nimmt man ihnen auch in gewissem Maße diese Funktion.

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    1. Danke für deinen leidenschaftlichen Beitrag, Erik! Ich bin überzeugt, es braucht in deinen Geschichten keinen politischen Subtext. Du bist jemand, der tolle eskapistische Liebesgeschichten u.A. verfasst, wie du es ja auch als „Flucht aus dem Alltag“ bezeichnet – das braucht die Welt genauso! :-)

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      1. Danke ;). Außerdem bestätigen Ausnahmen die Regeln – ich habe bisher auch einen wirklich politisch angehauchten Beitrag geschrieben – der befindet sich derzeit aber noch in einer Ausschreibung, die noch Monate auszuwerten dauert^^. Sollte er erscheinen, sag ich Bescheid *lach*

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