Mein Autorenkollege Michael Behr und einige weitere Kollegen, welche die Erstauflage von »Wolfssucht« kennen, sind neugierig, was sich an der Neuauflage geändert hat – ganz konkret und ohne Geheimniskrämerei
Da die Neuauflage von »Wolfssucht« nun erfolgreich veröffentlicht wurde und E-Book als auch Print von »Kindsräuber« fertig formatiert sind, gibt es heute einen tieferen Blick hinter die Kulissen!
Was habe ich warum geändert ? Und inwieweit könnte es den kommenden »Kindsräuber« beeinflussen?
Achtung!
Auch wenn es offensichtlich ist: Dieser Thread enthält massive Spoiler von »Wolfssucht«.
Die äußeren Details: Logo & Genre-Kategorien
Mein Beitragsbild nimmt es schon vorweg: Es hat sich eine Kleinigkeit am Cover getan. Mit dem Konzept der Galgenmärchen ist ein Logo entstanden, das jetzt nicht nur die Cover der Reihe ziert, sondern auch die Titelseiten in den einzelnen Büchern verschönern wird.
Vordem, als »Wolfssucht« nur als Einzeltitel war, habe ich es als Horror-Novelle verkauft. Zugegeben: Ich wusste nicht ganz, welchem Genre ich es zuordnen sollte!
Interessanterweise sagten die meisten Leser, sie fänden die Geschichte weniger gruselig als fantastisch. Was mich überraschte, da »Wolfssucht« eine eher realistische Adaption von Rotkäppchen sein sollte. Es schien vor allem bilderreicher mein Schreibstil zu sein, der ein Gefühl des Fantastischen hervorrief.
Also dachte ich: Das schreit nach einem Kategorienwechsel!
Die Horror-Novelle wurde damit zu einer dunkelfantastischen Novelle und die Kategorien auf Amazon angepasst. Mit dem »Kindsräuber« bleiben Elemente des magischen Realismus erhalten, es wird aber erstmals ein bekennend fantastisches Element dazugenommen, nämlich Geister. Wenn es in den Untergenres auch Abweichungen geben wird, so möchte ich es bei allen Galgenmärchen so halten, dass Fantastisches und Thrill grundsätzlich nebeneinander stehen sollen.
Anpassung des Settings
»Wolfssucht« hatt nie einen festgelegten Spielort – es gab nur ein Dorf mitten im Nirgendwo von Böhmen. Wenn das auch zur düsteren Stimmung der Geschichte beigetragen hat, so hatten sich einige Leser gewünscht, mehr über die historischen Hintergründe zu erfahren.
Tief geschichtlich ist »Wolfssucht« nicht mehr geworden – das übernehmen jetzt die weiteren Teile der Galgenmärchen-Reihe. Aber das Setting ist doch etwas genauer worden.
Das Spieljahr ist nun offiziell 1636. Der Jäger Skandar nennt diesbezüglich eine wichtige geschichtliche Referenz: Sein Dorf hat beschlossen, sich von der Außenwelt abzuschotten und aufzurüsten, weil der König von Frankreich – Ludwig der XIII. – Spanien und Österreich den Krieg erklärt hat.
Diese zeitliche Einteilung ist deshalb wichtig, weil ich vorhabe, die einzelnen Bände der Galgenmärchen-Reihe lose miteinander zu verknüpfen. Sei es nun der Auftritt eines alten Bekannten aus einem früheren Band oder die Wiederaufnahme bestimmter Ereignisse.
Insider-Tipp!
Wer ganz aufmerksam liest, der wird in »Kindsräuber« eine eindeutige »Wolfssucht«-Referenz finden.
Details in einzelnen Szenen: Familiendrama, politisch korrekte Nonnen & sexuelles Erwachen
Mitunter sind ja bei einer Buchveröffentlichung die Leserreaktionen am interessantesten. Selbst bei einem scharf definiertem Publikum und einem Marketing, das gekonnt auf jenes abzielt, haben die meisten Leser ganz unterschiedliche Hintergründe. So kommt es nicht selten vor, dass sie zu bestimmten Themen mehr Einsicht haben als mancher Autor, Testleser oder Lektor.
So kamen folgende Kritiken zustande:
1. Eltern bemängelten den Anfang
Vater und Mutter der Protagonistin Irina ließen ihre beiden Töchter zu schnell im Stich – zumindest für Leser, die Eltern sind.
2. Eine christlich erzogene Leserin empfand eine Figur des Buches, die Nonne Schwester Agnes, als eine negativ stereotypische Christenfigur
Außerdem erschienen ihr der Ablauf einiger christlicher Zeremonien z.B. eine Messe und ein Exorzismus, nicht realistisch.
3. Jemand anderes meinte, dass Irina zu wehrhaft wäre in der Szene, in der sie der Jäger Skandar mit Gewalt nehmen will
Irina rettet sich letztendlich aus der Situation, indem sie vorgibt, auf das Verlangen des Jägers einzugehen, nur um ihm in sein bestes Stück zu schlagen und zu verschwinden.
Wenn ich schon eine Neuauflage mache, dachte ich mir, dann kann ich auch so was verbessern!
Selbst Themen, die man diskutieren könnte, wie z.B. die Nonne: Sie war ja nicht ein Paradecharakter aufs Christentum, sondern das Beispiel eines »verloren gegangenen Schafes« in einer Welt, in der ohnehin viele Menschen das Vertrauen in Gott verlieren. Die Protagonistin Irina ist wegen ihrer traumatischen Vergangenheit ja auch atheistisch.
Da die Galgenmärchen aber in einer Zeit spielen, in welcher der Glaubenskonflikt zwischen Katholiken und Protestanten eine bedeutende Rolle spielte, habe ich mich dazu entschieden, das Thema etwas zu vertiefen.
Was änderte sich also?
Nun trennen sich die Eltern zögerlicher.
Schwester Agnes ist nicht nur eine inkompetente Christin, ihre Inkompetenz ist eindeutig durch ihre Vergangenheit erklärt. So führt sie die Kirche des verstorbenen Dorfpaters nur deshalb fort, weil es außer ihr niemanden sonst gab. Und da sich ihr Dorf bewusst von der Außenwelt isoliert hat, müssen alle nunmehr beschwerdelos Messen beiwohnen, die weder Hand noch Fuß haben.
Und Irina unternimmt in der Vergewaltigungsszene den ungeschickten Versuch, Skandar zu verführen, weil sie dies kürzlich auf der Dorfzeremonie zwischen einem älteren Mädchen und einem noch älteren Jungen beobachtet hatte. Zuschlagen tut sie ohne jeden Gedanken – in Skandars Schritt, weil der ihr am nächsten ist. Seine Reaktion darauf erschreckt die unerfahrene Irina selbst ;-)
Last but not least: Letzte Fehler!
Ich gebe es zu: Trotz aller Recherche und Überarbeitung haben sich noch ein paar Fehler in »Wolfssucht« eingeschlichen.
Das betraf gar nicht mal Rechtschreibfehler, davon sind nur an die drei nachträglich gefunden worden. Vielmehr waren es historische Details, die übersehen wurden.
So ist der Märchenband der Großmutter zu einem handschriftlich verfassten Sagenband geworden, den ihr alter Mann geschrieben hatte. Denn an solche Bände kam man zu dieser Zeit nicht als einfacher Mensch heran, zumal nicht jeder lesen oder sich Papier leisten konnte.
Irgendwo schlichen sich Kartoffeln in die Speisekammer, obwohl Amerika noch nicht entdeckt und die Kartoffel noch keine Standardspeise war. Woanders stand Porzellan herum, das erst noch durch die Chinesen nach Europa gebracht werden musste. Auch war Tee noch nicht kultiviert, man trank allenfalls Kräutersude oder aber heiße Milch.
Ergo hat sich nicht geändert …
… der Plot.
An der eigentlichen Story und der Entwicklung der Charaktere habe ich nirgendwo herum gedoktort. Wer also noch die alte Fassung von »Wolfssucht« besitzt, muss sich nicht um eine neue Geschichte betrogen fühlen.
Vielleicht mag den einen oder anderen wundern, dass ich nicht den sexuellen Inhalt bearbeitet habe, wo einige Leser diesen bemängelten. Damit gemeint: Einige wenige verirrte Amazon-Leser, nicht die größere Leserschaft.
Da ich mich zu den wenigen Autorinnen zähle, die Sex nicht nur des Fanservices wegen schreiben, sondern auch um Charaktere zu entwickeln, habe ich da keine wirkliche Skrupel. »Wolfssucht« wäre nicht dieselbe Geschichte, würde ich die sexuellen Elemente streichen.
Außerdem: Ein bisschen Skandal kann jedes Buch vertragen, oder? :-D
»Kindsräuber« führt die leicht skandalöse Tradition also schamlos fort, behandelt unter anderem das Thema Schwangerschaft als wichtiges Plot-Element. Ich schließe nicht aus, dass es auch hier einige schockierte Leser geben wird. die Story geht zum Teil nah an den weiblichen Körper heran, und seien wir ehrlich, das sind wir aus unseren Medien gar nicht gewohnt. Eine schwangere Frau wird in einer Geschichte eher als verhinderter Charakter beiseite geschoben.
Was auch immer es an Reaktionen geben wird – ich reibe mir schon jetzt vorfreudig die Hände!
Das klingt sehr interessant. Und die Idee, die einzelnen Märchen durch „Bindeglieder“ miteinander zu verknüpfen, finde ich toll.
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Danke! Ich dachte mir, eine Reihe macht auch nur durch lose Verbindungen Sinn ;)
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Danke, Nora, für diesen Überblick!
Ich weiß nicht, ob ich in dieser Weise auf die Anmerkungen deiner Leser eingegangen wäre, wie du es bei der Neuauflage getan hast. Da müsste das Votum, glaube ich, schon sehr eindeutig ausfallen. Aber gut, es ist dein Buch (und jetzt ist es eh zu spät zu sagen, dass ich, als Vater, bei Punkt eins eine andere Meinung vertreten würde).
Ich freue mich auf deine kommenden Großtaten!
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Bitte schön! Und da mir grad auffällt, dass ich es nicht explizit erwähnt habe: Selbstverständlich habe ich nur Dinge geändert, von denen ich persönlich überzeugt war, dass sie im Kleinen die Story besser machen. Drängen lassen von einzelnen Lesern habe ich mich nicht. Zumal man es eh nie allen Lesern recht machen kann, gell? ;-)
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Nö, kann man nicht. Da hast du schon recht. Deswegen sollte man es auch nicht versuchen ;-) .
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Oje, sehe ich mich mit Unterstellungen konfrontiert? Ich wasche meine Hände in Unschuld :-D
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!?
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