Der Kriegszug des Außenseiters Shugg gegen den Weltraumpiraten McBloodshed und seine wagemutige Crew

 

Komische Science-Fiction-Kurzgeschichte.

Featured in Hammer, Säge, Pinsel & Co. von Marten Petersen (Hrsg.), Benefiz-Anthologie

 

Leseprobe

 

 

Content Note

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Amokgedanken, körperliche Krankheit (hormonell bedingte Aggressionsstörung)

 

 

Ufo-Werften sind von gestern! Wer immer sein eigenes Raumschiff bauen will, kann sich alles Nötige besorgen: In der galaktischen Baummarktkette CosmopoliX. Dort gibt es alles, was das Heimwerkerherz mit Allweh begehrt! Von Plasmakanonen-Anleitungen über Noppenanzüge zum Selberschweißen und Lichtjahrparametern fürs Selbstexperiment bis Ultra-Orbit-Brecher-Antrieben …

Die besten und exklusivsten Teile bekommt man aber nur in der Zentralstelle von CosmopoliX. Dort findet – jeden Marsmonat nach interuniverseller Bestimmung – die schwerbeliebte Lotterie des Raumschiff-Baumarkts statt. Schwerbeliebt deshalb, weil sie einen Paarurlaub auf den prominenten Kristallstädte des Jupiters ermöglicht.

Genau 68 Monate ist es her, dass Shugg sich sein erstes Ticket für diese Lotterie gekauft hat. Und in dieser Zeit hat er genau 68 »Nieten« gezogen. Überflüssig ihm zu sagen, dass er eine Versager sei.

Wie jeden Monat teleportiert er mit ebenso viel Suizid- wie Amokgedanken die Einkaufsgegenstände seiner Wahl aufs Kassenfließband.

»Du siehst ziemlich gelb aus, Shugg«, begrüßt ihn sein Kindheitsfreund Nirog hinter dem Tresen.

»Du weißt ja, was das heißt!«, kommt es zurückgefaucht.

Wenn Shugg eines nicht leiden kann, dann auf seine gelbe Hautfarbe angesprochen zu werden. Wie gerne hätte er das wabernde Grün von Nirog besessen. Überhaupt ist sein Freund ein Bild von einem Augigen: Klein und gedrungen, so klar wie ein Pudding, mit einem wundervoll langen Auswuchs, an dem ein Auge mit marineblauer Iris hängt. Beneidenswert!

Nirog gibt ein verständnisvolles Blubbern von sich. »Das Los war wieder nichts?«

»Natürlich war es nichts! Sehe ich so aus?«

»Ruhig, Shugg … Du fällst schon auf.«

»Ich bin gelb! Natürlich falle ich auf! Wer hat schon einen gelben Augigen gesehen?«

»Du änderst nur die Farbe, wenn du dich aufregst. Magst du etwas Augenbalsam zur Beruhigung?«

Der gute alte Nirog … Allseits höflich, wie man es von einem Augigen gewohnt ist.

Der Ursprung jenes Volkes, dem sowohl Shugg als auch Nirog angehören, ist nicht mehr festzustellen. Die Legenden sagen, dass ihre Vorfahren aus Schwarzen Löchern gekommen seien … wie man sich das auch immer vorstellen soll. Irgendwann vagabundierten die Augigen einfach durchs Universum. Niemand kümmerte sich um sie, denn sie sind von Natur aus freundlich, höflich, hochsensibel und unauffällig. Devot geradezu, jeglicher Konflikte unfähig. Ein emotionaler Ausbruch eines Augigen gilt als Schande unter ihresgleichen.

Und hier beginnt Shuggs Elend. Er ist nämlich mit einem hormonellen Fehler geboren, der ihn höchst aggressiv macht. Aggressiv, ein Augiger! Als wäre das nicht schlimm genug, wechselt er auch noch die Farbe, wenn er wütend wird. Sein akzeptables Dunkelblau wird zu diesem grässlichen Quietschgelb, für das man ihn schon immer gemieden hat. Ohne Zweifel ist Shugg das unverstandendste Wesen im ganzen Universum.

»Warum versteifst du dich so sehr auf die Lotterie?«, fragt Nirog mit einem Blinzeln auf die größer werdende Schlange. »Ich meine, es ist nicht so, als ob du jemanden zum Mitfahren hättest.«

»Da danke ich, du Runzellid!« Shugg gibt ein schwerfälliges Zischen von sich. »Ich will nur jede Chance nutzen, um von hier wegzukommen. Weg, weg, weg! Niemand akzeptiert mich – außer dir, aber das zählt nicht. Ich muss als Putzer versauern, weil keiner einen komischen Augigen wie mich einstellen will. Mit meinem Hungerlohn dauert es ewig, um das Raumschiff zu bauen, mit dem ich für immer verschwinden kann. Ich krieg die Augenkrätze!«

»Wirf hier mal einen Blick drauf, Shugg.«

Unter Nirogs telekinetischer Kontrolle schwebt ein Magazin hinter der Theke hervor. Shuggs Auge weitet sich bis zum Anschlag. »Was zeigst du mir da?«

»Das Werbemagazin der intergalaktischen Erotikmesse. Mit dem Raumschiff kann ich dir nicht helfen, aber ich dachte, ich kann dir etwas Liebe näher bringen.«

»Nein, Nirog, nein! Pack das Heft weg, bevor es jemand sieht!«

Inzwischen hat sich eine unruhige Schlange verschiedenster Außerirdischer hinter Shugg gebildet. Ungehalten brüllt es daraus: »Wie lange dauert das denn da vorne?«

Shugg brüllt doppelt so laut zurück: »Grad bin ich Kunde, der Kunde ist König, und der König braucht seine verdammte royale Zeit, du Hackgesicht!«

Die entsetzte Stille, die Shugg entgegen kommt, ist beschämender als alles andere.

»Ähm, möchtest du eine Rechnung wie immer?«, fragt Nirog.

»Bitte … Ich möchte nur nach Hause.«

Nirog will gerade den Kassenzettel abreißen, als sich sein Auge weitet. »Shugg?«

»Ja?«

»Du bist Trillionster Kunde von CosmopoliX

»Ja und?«

»Weißt du nicht, was das heißt?« Man glaubt es kaum, Nirogs Stimme überschlägt sich: »Du bekommst einen Einkauf für umsonst! Damit kannst du das Raumschiff bauen, von dem du immer geträumt hast!«

 


 

240 Seiten.

ISBN-10: 3738637346

ISBN-13: 978-3738637342

ASIN: B015ISB9H6

[vergriffen]

 

© Nora Bendzko 2016

 

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